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MZ
 - Story Part 2
Der lange Weg zum Nummernschild

Da standen sie also, unsere vier übel aussehenden Motorräder, aus denen wir zwei fahrbare machen wollten. Zunächst versuchten wir es mit "positivem Denken", hängten eine Batterie an die Zündung eines der Krads, pumpten die Reifen auf und machten einen Startversuch. Als Nebelmaschine war diese MZ zu verwenden, wirklich aus eigener Kraft fortbewegen wollte sie sich jedoch nicht.
Die Tatsache, dass sie nach der offenkundig langen Standzeit überhaupt noch ein "Lebenszeichen" von sich gab, stimmte uns dennoch positiv und wir machten uns daran, Vergaser, Motor und Elektrik systematisch zu reinigen und zusammenzuflicken. Das war ohne Stromlaufplan nicht ganz einfach, denn die Kabel hingen bei allen Krads dank vorheriger Teilausschlachtung wild in der Gegend herum. Zum Glück ist die 6-Volt-Anlage eigentlich recht einfach aufgebaut, nur die "Schaltzentrale" in der Lampe erscheint ohne Vorkenntnisse verwirrend.
Ausschnitt aus "Doc Pommes' eruiertem Stromlaufplan"
Im Nachhinein war es schon etwas abenteuerlich, wie sich hier zwei relativ ahnungslose Menschen zunächst ohne jegliche Unterlagen über die Maschinen hermachten. Dank unserer "Moped-Zeit" fanden wir uns aber relativ schnell zurecht - 'ne Zündapp ist schliesslich auch kaum anders aufgebaut - und brachten die Krads schliesslich nach einigen Arbeitstagen zum Laufen. Dem waghalsigen "MC Owwerbutz" gebührte die Ehre, auf einem Privatweg herauszufinden, dass die TS 250 in Wirklichkeit nicht 90, sondern knapp 130 km/h auf den Tacho bringt. Die Zeit schien gekommen, sich rote Nummernschilder zu besorgen...
Bürokratie treibt in den Wahn
Vielleicht weiss nicht jeder, der dies liest, welche Hürden genommen werden müssen, bevor man ein Fahrzeug auf deutschen Strassen bewegen darf, für das man keine Papiere (mehr) hat:
Zunächst mal muss man beweisen, dass dieses Fahrzeug nicht gestohlen ist. In unserem Fall schickten wir also je einen Kaufvertrag an eine Behörde, die dies überprüft und bestätigt. Selbstverständlich muss aus den Unterlagen das Fahrzeug eindeutig identifizierbar sein, was bei uns Gott sei Dank der Fall war.
Als nächtes braucht man logischerweise einen Blanko-Brief, den man dann bei einer Vollabnahme vom TÜV (oder einer anderen entsprechenden Organisation) ausfüllen lassen muss. Bei "Exoten" stellt sich dabei das Problem, dass der TÜV keine Unterlagen besitzt und man diese selber beschaffen muss. Hier waren wir hoffnungsvoll, denn wir hatten ja die "technischen Datenblätter" und kauften ausserdem das Buch "Wie Helfe ich mir selbst - MZ-Motorräder", das alle technischen Daten enthält. Irritiert stellten wir fest, dass die Daten aus Buch und Kopien nicht so richtig zusammenpassten, das Buch schien der Realität allerdings näher zu sein.
Eines kannte jedoch jeder TÜV, wie wir bereits im Vorfeld herausfanden, nämlich die Vorschriften bezüglich der Sicherung von Krads. Wie hatten vier Lenkradschlösser im "DDR-Stil", aber uns fehlten die Schlüssel hierfür. Mit Entsetzen stellten wir fest, dass man mit ausreichendem Engagement jedes "MC Owwerbutz" noch fehlende Teil besorgen konnte, aber ausgerechnet DDR-Lenkradschlösser nicht mehr aufzutreiben waren.
Man sollte vielleicht in Erinnerung rufen, dass 1993 das Internet noch nicht sehr verbreitet war. So erschien es mir fast wie ein Wunder, als nach vielen Wochen "MC Owwerbutz" seinen Ruf als Organisator, der alles auftreiben kann, wieder herstellte. Irgendein Motorradclub hatte die raren Schlösser in Kleinserie nachbauen lassen. Der Fahrt zum TÜV stand also nichts mehr entgegen.
Guter Rat war teuer...
Durch Zufall sah ich ausgerechnet bei der Vollabnahme die erste andere MZ in der Pfalz, die ausserdem offenkundig auch aus NVA-Beständen stammte. Der stolze Besitzer hatte jedoch definitiv mehr Glück gehabt als wir, denn es handelte sich um eine ETZ, an der er scheinbar noch nie etwas hatte reparieren müssen. Sei es ihm gegönnt! Zur weiteren Einstimmung auf die Prüfung konnten wir beobachten, wie ein Typ von einer Tuning-Firma in Verzweiflung ausbrach, weil die Messgeräte bei einer Harley nur 97 dB anzeigten, der Kunde aber eine Auspuffanlage mit mindestens 100 dB in Auftrag gegeben hatte. Diese Werte gaben mir zu denken, denn laut unserer zusammengetragenen Papiere hat eine MZ ein Standgeräusch von 84 dB, die Harley war aber zumindest subjektiv leiser!
Die Ingenieure benutzten ihre Messgeräte (glücklicherweise) nicht und mein Krad überstand die Prüfung der elektrischen Anlage tadellos. Auch sonst war der Prüfer zufrieden, bis er von der obligatorischen Probefahrt zurückkam und die MZ auf den Hauptständer stellte. Hier war mir leider tatsächlich etwas entgangen, denn beide Räder standen noch auf dem Boden und das darf ja nicht sein. Ich bot an, den defekten Ständer sofort abzubauen, was der Mann vom TÜV mit einem Grinsen und dem Hinweis, dass ich auch noch mit einem "geringen Mangel" durchkommen würde ablehnte. Solle ich doch bitte später machen.
...nur am Hauptständer hatte man was auszusetzen...
Zuletzt wurde der allgemeine technische Zustand des Krads trotz seines äusserlich erbärmlichen Aussehens gelobt und die Sache war für mich gegessen. Das Nummerschild sollte eigentlich nur noch reine Formsache sein - dachte ich...
Bei "MC Owwerbutz" ging die Sache zunächst noch flotter voran, weil man offenkundig von der Qualität der Krads inzwischen überzeugt war. Unerwartete Probleme ergaben sich daraus, dass bei seiner MZ keine Motornummer vorhanden war. Erst als wir mit Engelszungen auf den Prüfer einredeten und darauf hinwiesen, dass die Nummer in keinem Papier auftaucht, rückte er von seinem Standpunkt ab, dass er ein Motorrad ohne Motornummer nicht abnehmen kann.
Wie nicht anders zu erwarten hatte man in Schwegenheim keine Unterlagen über MZ, worauf wir ja aber vorbereitet waren. Interessant ist die seltsame "Mischung", welche die Ingenieuere aus dem Buch und den technischen Datenblättern bildeten. Im Brief ist beispielsweise etwas von "Leistungsbeschränkung" zu lesen, aber die volle - und wie unsere Probefahrten zeigten auch korrekte - Motorleistung eingetragen. Wir waren aber dankbar überhaupt unsere Blankobriefe ausgefüllt zu bekommen und schüttelten nur insgeheim ein wenig den Kopf. Die Krads sind ja wirklich irgendwelche nicht klar definierbaren NVA-Sonderanfertigungen, was schon mit den Einzelsitzen anfängt, die es eigentlich seit der ES nicht mehr gibt...
Der nächste bürokratische Weg war der zur Zulassungsstelle, um die roten gegen normale Nummernschilder auszutauschen. Diesen überliessen wir dem Zulassungsdienst der Tankstelle, bei der "MC Owwerbutz" zu dieser Zeit gerade jobbte. Am Tag nach der TÜV-Vollabnahme wollten wir unsere Schilder abholen und wurden mit der Hiobsbotschaft empfangen, dass die Zulassungsstelle sie verweigert hätte, weil im Brief kein "Tag der ersten Zulassung" eingetragen sei.
Sollte es wirklich so enden? Hunderte Kilometer nach Bautzen, Monate der Suche nach fehlenden Teilen und Bastelei lagen hinter uns, und den TÜV hatten unsere Krads auch überstanden - und nun sollte unser Unterfangen noch an einem nicht mehr ermittelbaren Datum scheitern?
Ein letzter geradezu unglaublicher Zufall - oder eine "Vorsehung" - liess uns schliesslich auch noch diese letzte Hürde überwinden: Wie im ersten Teil der Geschichte bereits geschildert, hatte ich in der Halle in Bautzen einige "herrenlose" Papiere gefunden. Deren Daten passten zu unseren Krads, die laut Typenschild Baujahr 1983 sind. Eine gewisse Liste der "Personen für die Genehmigung des Einsatzes" begann mit dem 1.7.1983, was dann wohl dem "Tag der ersten Zulassung" entsprach. Die zuständigen Sachbearbeiter sahen das genauso.
Nach fast vier Monaten war endlich vollendet, was ursprünglich eine Sache von Tagen sein sollte: Anfang September hatten wir aus vier Wracks wieder zwei zugelassene Motorräder gemacht und durften nun mit unseren "Honecker-Harleys" die Pfalz unsicher machen...
Endlich - Zulassung geschafft!

MZ-Story Part 3: Metamorphosen MZ-Story Part 3: Metamorphosen

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