- Story Part 1
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Wie ich zu meiner ersten MZ kam...
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Irgendwann erinnert sich wohl jeder Autofahrer, der früher mal Moped gefahren ist, an die "gute alte Zeit" - sofern er nicht sowieso begeisterter Motorradfahrer geblieben ist. Mir persönlich fehlte es als dieser Zustand eintrat schlicht am nötigen Kleingeld für ein Krad. Als ein Freund von mir eines Tages mit dem Artikel einer Motorradzeitschrift auftauchte, in dem zu lesen war, dass NVA-Maschinen günstig verkauft werden, war schnell der Entschluss gefasst, sich eine solche Maschine zuzulegen.
Im Mai 1993 lieh sich mein Freund den Transporter seines Vaters und wir fuhren zusammen nach Bautzen, wo auf dem Gelände eines ehemaligen Flugplatzes eine Firma im Auftrag der Treuhand NVA-Hinterlassenschaften veräussern sollte. Allein die Fahrt dorthin war bereits ein kleines Abenteuer:
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Gegen 22 Uhr fuhren wir erstmal zu einer nahegelegenen Kneipe in Speyer, um ein letztes Bier zu trinken und die Vorräte an Zigaretten, belegten Broten, Kaffee und "Hallo Wach" zu überprüfen. Nachdem wir feststellten, dass alles in scheinbar ausreichen Mengen vorhanden war, ging es frohgemut gen Osten.
Um Mitternacht passierten wir Frankfurt (Main), d.h. wir wollten es eigentlich passieren, fuhren aber Dank chaotischer Verkehrsführung und einer gesperrten Autobahn mitten hindurch. Mein Freund "MC Owwerbutz" behauptet allerdings, dass die Ursache für diesen ungewollten Abstecher primär in meinem mäßigen Kartelesenvermögen zu suchen ist. Als wir endlich wieder aus Frankfurt herausgefunden hatten ging es ziemlich direkt in den ersten Stau. Schon erstaunlich, wie überfüllt die Strassen mitten in der Nacht noch waren. Trotz endlos vielen Baustellen und Massen von Schwertransporten blieb dies auf der Hinfahrt allerdings die einzige ungewollte Verzögerung. Je weiter es in die neuen Bundesländer ging, umso mehr stieg der Nikotin- und Koffeinbedarf, umso abenteuerlicher wurde die Autobahn und umso mehr Diesel brauchte der Transporter. Letzteres irritierte uns ein wenig, aber wir massen dem keine sonderliche Bedeutung zu. Im Nachhinein stellte sich jedoch heraus, dass wir unheimliches Glück hatten, denn keine zwei Wochen später segnete der Motor dieses Fahrzeugs mit lautem Knall das Zeitliche... Der Morgen erfreute uns mit schönstem Sonnenschein und der Frage, ob der gepflasterte Feldweg auf dem wir fuhren, wirklich die Fernstrasse nach Bautzen sein könne. Ein einsames Verkehrsschild zeigte an, dass wir uns weiterhin auf der richtigen Europastrasse befanden. Wir waren also zwar beide etwas kaputt, aber guten Mutes, unser Ziel bald zu erreichen. Den Flugplatz zu finden stellte allerdings ein weit komplizierteres Unterfangen dar als angenommen. Nachdem nirgends ein entsprechender Hinweis zu finden war, fragten wir einen Passanten nach dem Weg. Ein weiträumig abgesperrtes Arsenal gauckelte uns vor, dass wir der Wegbeschreibung korrekt gefolgt seien und wir nur noch die Einfahrt finden müssten. Entweder hatten wir uns missverständlich ausgedrückt, sind verschaukelt worden oder haben uns einfach verfahren, jedenfalls stellte sich der "Flugplatz" als riesige Müllhalde heraus. Vorteilhaft war, dass die höchst amüsierten Müllfahrer uns schliesslich weiterhelfen konnten. Unsere Euphorie war schier grenzenlos, als wir schliesslich nach mehr als 10 Stunden Fahrt den Transporter in der Nähe einiger ausgemusterter Kampfflugzeuge abstellten. |
Schnell fühlte sich ein Angestellter für uns zuständig. Sein Interesse schwand allerdings ein wenig, als er feststellte, dass er uns definitiv kein Flugzeug verkaufen konnte und wir nur die Motorräder sehen wollten. Dennoch fuhr er uns schliesslich zu einem Hangar, in dem ziemlich viele Krads in Tarnfarben herumstanden.
Als mein Blick durch das Lager schweifte, übermannte mich Müdigkeit und Niedergeschlagenheit, denn wir waren definitiv nicht die ersten, die sich für diese Krads interessierten. Tatsächlich war keine der vielen Maschinen noch vollständig und irgendwie verbreitete die Halle in ihrer Gesamtheit den Charme eines überdachten Schrottplatzes. Ich glaube wenn wir nicht hunderte Kilometer hinter uns gebracht hätten, wäre hier die Geschichte zu Ende gewesen. |
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Nach dem Motto: "Wenn man schon mal da ist, sollte man sich die Sache wenigstens mal genauer anschauen" suchten wir also die Halle nach halbwegs brauchbarem ab. Neue ETZ-Modelle gab es keine mehr und ich habe genau eine TS 250 gesehen, die bereits eine 12-Volt-Anlage hatte, welche aber hoffnungslos ausgeschlachtet war. Bald entwickelte sich eine Selektion die darauf hinauslief, zwei halbausgeschlachtete Krads zu finden, aus denen man später ein möglichst komplettes zusammenschrauben könnte - vier von den Teilen würden wir schon irgendwie in den Transporter bekommen...
Komplette Lampen und der Seitendeckel rechts waren besonders rar und so stellte eine "Ruine", an der noch beides vorhanden war meine erste Wahl dar. Sogar der Motor liess sich noch durchdrehen. Mein zweites Krad beinhaltete alle sonstigen Teile. Um hier kein falsches Bild zu vermitteln: An Startversuche oder gar eine kleine Probefahrt war nicht zu denken, da nirgends eine Batterie aufzutreiben war und sich die 6-Volt-MZ's (bekanntlich) ohne eine solche auch nicht anschieben lassen. Ausserdem hätten wir erstmal die platten Reifen aufpumpen müssen. "MC Owwerbutz" hatte eine etwas abweichende Strategie: Er betätigte etliche Kickstarter und suchte den "optimalen Motor", den er schliesslich an einem Rahmen fand, der ansonsten ziemlich kahl war. Ihm fehlten also letztendlich ein paar Teile, die ich aber zumindest teilweise doppelt hatte. Als kleine Beigabe sammelte ich noch ein paar herumliegende Papiere ein - was sich später noch als wichtig erweisen sollte - und wir fuhren im Wartburg erstmal zurück zum Verwaltungsgebäude. Es folgte ein scheinbar unvermeidliches bürokratisches Intermezzo, was bei unserem inzwichen etwas ausgezehrten Zustand doch ziemlich nervte. Zunächst musste überhaupt mal ein Preis ausgehandelt werden und es begann eine Feilscherei wie auf einem Basar. Schliesslich einigten wir uns darauf, dass ein Krad mit festsitzendem Motor 115 Mark und mit scheinbar intaktem Motor 143,75 DM kosten solle (inkl. Mehrwertsteuer). Nach längerer Wartezeit bekamen wir entsprechende Kaufverträge und noch ein paar verwirrende technische Datenblätter in Kopie.
Als stolze Besitzer von vier erbärmlich aussehenden MZ TS 250 fuhren wir schliesslich ein weiteres mal zur "Motorrad-Leichenhalle" und durften unsere Neuerwerbungen unter Aufsicht verladen. 1993 war das "Ossi-Wessi-Geschwätz" auf einem Höhepunkt und wir bestätigten zunächst offenbar alle Vorurteile von Ostdeutschen über in praktischen Dingen ungeschickte Wessis. War wirklich lustig, wie die Jungs uns bei der Plakerei mit den immerhin ca. 3 Zentner wiegenden 250ern zuschauten und mit gutgemeinten Ratschlägen wie "da braucht man halt Kraft zu!" bedachten. Wirklich kritisch war jedoch, dass wir beim besten Willen nur drei Maschinen in den Transporter brachten. Irgendwann übermannte unsere Zuschauer aber das Mitleid und mit ihrer Hilfe und rauher Gewalt quetschten wir auch noch MZ No. 4 rein.
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Auf dem Rückweg lieferten die technischen Datenblätter noch einige Zeit Gesprächsstoff. Dort konnte man beispielsweise nachlesen, dass die "maximale Geschwindigkeit" (angeblich) 90 km/h, die "zulässige Dauergeschwindigkeit" jedoch nur 80 km/h beträgt und der Bremsweg bei Tempo 40 höchstens erschreckende 12,3 m lang sein darf.
Bis auf die logischerweise fortschreitende Mattheit verlief die Rückfahrt ähnlich wie die Hinfahrt - nur in umgekehrter Reihenfolge: Erst Kopfsteinpflaster, dann Betonautobahn mit Baustellen wie in einem Dorf (mit Plastikbändern gesicherte Löcher und Tempo-30-Schild), Grossbaustellen und schliesslich der unvermeidbare Stau kurz vor Frankfurt. Nur die gelegentlich scheppernden Motorräder rissen uns bisweilen aus unserer Lethargie. Am Abend des 12. Mai 1993 standen jedenfalls vier "MZ-Reste" auf dem Hof und warteten auf "Wiederbelebungsversuche".
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MZ-Story Part 2: Der lange Weg zum Nummernschild |